Für Björg

Im Kurs erzähle ich es immer ausführlich, ruhig und mit Bestimmtheit, dass man eine Verantwortung für sein Pferd hat und diese Verantwortung auch übernehmen muss für den letzten Weg.

Und dann steht man selbst wieder vor der Entscheidung, die Tage / Stunden davor erscheinen wie im Nebel… Die Entscheidung auf dem Paddock – erst einmal für sich selbst und dann auch gemeinsam mit dem Tierarzt – dass unsere Möglichkeiten erschöpft sind… Die Gewissheit, dass es ab diesem Punkt keine Lebensqualität mehr für das Pferd gibt…

Man hätte so gern noch das Zaubermittel ausgepackt und alles heile gemacht… Im Nebel organisiert man den Termin, den Abtransport, bereitet alles vor. Hof für Besucher sperren… selbst runter kommen… der Blick über den ganzen Tag immer wieder zum Pferd – vielleicht geht es ja ab heute wieder steil bergauf? – Und dann wieder die Gewissheit, bei jedem Schrittversuch der lieben Maus, dass es nicht an dem ist…

Die Zeit ist ran, Tierarzt ist da, der Weg zum Paddock gibt ein Druckgefühl auf der Brust, ausgiebiges Kraulen, bißchen Kuscheln, viele Tränen – vielleicht hat sich noch etwas getan in der einen Stunden seit ich geschaut habe? Die Wanderung zum Hof – in Zeitlupe, auf gefühlt nur 3 Beinen – bestätigt die getroffene Entscheidung.

In ruhiger Atmosphäre, nur die engen Menschen sind da, legen wir sie ab. Wir denken alle das Gleiche – was für einen wahnsinnigen Willen sie gehabt hat, dass sie trotz der Schmerzen immer noch gestanden hat, immer noch in ihrer Herde den Posten der Vize-Chefin verteidigt hat. Eine Kämpferin auch über ihre körperlichen Grenzen hinaus.

Unsere Björg – eine Mausfalbstute, die für das Eintölten als Berittpferd nach Illsitz kam – kein einfaches Projekt und defintiv auch nie ihre Lieblingsdisziplin – und doch hatte ich beim ersten Draufsitzen schon im Kopf, dass ich sie gern haben wollen würde. Die schlechte Töltveranlagung und dazu ihre panische Angst vor Lkw´s und großen Maschinen führten zum endgültigen Einzug von Björg in Illsitz.

An der Stelle hat wahrscheinlich auch jeder gedacht, ich habe nicht alle Sinne beieinander, aber ich hab das in ihr gesehen, was mit der Zeit zum Vorschein kam. Ein Islandpferd mit sauberen und bequemen 3 Grundgangarten, super dressurmäßig ausgebildet, viel Lauffreude auch auf dem Platz, Coolness im Gelände, Energie die für mindesten 4 Stunden pro Tag ausgereicht hätte, freundlich und ehrlich über alle Maßen und dabei genug Spaß im Kopf, dass man als Reitschüler auch an seine Grenzen kommt und es für mich selber nie langweilig wurde.

Fein in der Reaktion, Lektionentaxi und doch fordernd. Ein Pferd für viele tolle Auftritte auf unserem Hausturnier in der Dressur und im Trail, Standard-Lehrpferd für ganz viele IPZV-Abzeichen in Dressur, leichtem Sitz und beim Longieren.

Unser Problem über alle Zeit waren immer wieder ihre Beine und ihr Stoffwechsel. Viele Stunden und Scheinchen sind hineingeflossen, immer mit der Hoffnung, es in Ordnung bringen zu können. Unser kleiner Dauerpatient hat uns immer wieder gezeigt, dass man auch in akuten Lahmheitsphasen eine unbändige Lebensfreude haben kann (nicht gut!). In der Bodenarbeit trotzdem immer noch die Mädels durch plötzliche Eskalation an den Rande des Wahnsinns treiben kann und auch beim Reiten den ein oder anderen durch Temperamentsausbrüche oder nutzen der Lücke (weil die rahmenden Hilfen nicht da sind) in eine kurze Schockstarre versetzt.

Und trotz aller Bemühungen, Behandlungen, genauem Plan für Belastung, Haltungsanpassung und vielen Recherchen über – was kann man noch tun – kommt der Tag. Ein Blick in das liebe Gesicht, kleine Schmerzlinien, die munteren Augen eher etwas ins sich blickend, der Liegebereich wird oft genutzt, jeder Schritt wird überlegt… ab und zu blitzt die stolze und übermütige Björg noch durch 🙂

Hier stehen wir nun, konnten und mussten entscheiden, streicheln jeder noch ein bißchen, Tränen rollen bei allen und doch bin ich bin froh so entschieden zu haben, bevor die Björg, die ich vor 13 Jahren gekauft habe, gar nicht mehr zu sehen gewesen wäre.

Komm gut drüben an! Grüß Dagrenning von uns!

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